Montag, 25. Dezember 2017

Neubeginn und Versöhnung

Heute ist Weihnachten, genauer gesagt der 25. Dezember 2017. Ich sitze in der Wohnung der Schwiegereltern in Nowgorod. Das ist in Russland etwa 200 Kilometer südlich von St. Petersburg. Dort habe ich mich seit 18. Dezember eingeigelt und genieße das Nichtstun gemeinsam mit dem Essen der Schwiegermama. Wie es dazu kommt? Seit dem letzen Eintrag vom 25. Juli 2015 ist einiges passiert.

Die im letzten Eintrag erwähnte Frau ist mittlerweile meine Gattin. Ja, ich habe tatsächlich geheiratet. Das war am 11. Dezember 2015, also noch im selben Jahr dieses erwähnten Eintrags.

Vera und ich an unserem Hochzeitstag
Vera und ich an unserem Hochzeitstag
Ich wäre nicht so schnell auf die Idee gekommen zu heiraten, wenngleich bei Vera nichts dagegen sprach – ganz im Gegenteil. Aber uns zwang der Staat zu dieser Maßnahme, sonst wäre sie in Gefahr gewesen, ausreisen zu müssen. Und das wäre so gar nicht in meinem Interesse gewesen. Schließlich wollte und will ich ja mit ihr zusammen sein, sie ganz in meiner Nähe haben und nicht im fernen Russland. Nun sind wir schon über zwei Jahre glücklich verheiratet und ich bin voll anerkanntes Mitglied ihrer Familie. Dieses Jahr haben wir das erste Mal alle gemeinsam Weihnachten gefeiert. In Russland ist Silvester so etwas ähnliches wie Weihnachten. Mit einer religiösen Tradition hat das nichts zu tun. Es wird auch ein Baum aufgestellt. Opa Frost kommt gemeinsam mit seiner Enkelin aus dem hohen Norden und bringt Geschenke. Wir feierten traditionell am 24. Dezember. Ihre Eltern haben eine Zeit lang in der DDR gelebt. Vera ist in dieser Zeit dort in Magdeburg zur Welt gekommen. Ihr Vater ist Uni-Professor, der dort an der Uni unterrichtet hat. Er spricht noch immer sehr gut Deutsch. Aus der Zeit in der heutigen BRD kennen sie "unsere" Form von Weihnachten und haben sie auch nach Russland mitgenommen mit all den Dekoutensilien, die noch heute die Wohnung in ein Winterwonderland verzaubern.

Was sicher auch sehr spannend aus heutiger Sicht für all jene ist, die den Blog bis hierher gelesen haben ist, wie das Leben mit meiner Mutter weiter verlaufen ist. Nachdem ich Sachwalter war habe ich beim Gericht angeregt, sie umzusiedeln. Dafür suchte ich nach einer Unterbringung in meiner Nähe in Wien. Dabei stieß ich auf die Möglichkeit der Senioren-WGs. Diese Form des Wohnen kannte ich gut aus meiner beruflichen Tätigkeit beim SOS Kinderdorf. Ich habe selbst ca. 3 Jahre in so einer Einrichtungen gearbeitet, nur haben dort Jugendliche gewohnt. Das erschien mir als geeignet und ich begann welche zu besichtigen. Welch eine Synchronizität: Wie meine Eltern damals für mich als Kind, suchte ich diesmal nach einer Unterbringung für meine Mutter. Ein Gerichtsbeschluss sah vor, dass sie in einer betreuten Wohnform untergebracht werden muss, weil sie nach wie vor als suizidgefährdet gilt. Nachdem ich dann eine WG in meiner Näher gefunden hatte, ließ ich diese meine Mutter besichtigen und stellte einen Antrag bei Gericht. Daraufhin wurden wir vorgeladen. Bis zuletzt war ich mir nicht sicher, ob meine Mutter nicht im letzten Moment vor der Richterin einen Rückzieher machen würde. Aus Erfahrung wusste ich, dass sie unberechenbar ist und immer für eine dramatische Wendung gut war, auch – oder genau dann, wenn es zu meinem Nachteil ist.

Die WG lag nämlich in Wien und kostete weit weniger als das Heim. Was die Gesamtkosten für Miete und Betreuung über den Einkommensverhältnissen meiner Mutter liegt, wird von der Stadt gefördert. Somit müssten nicht ihre Ersparnisse (und letztendlich mein Erbe) für laufende Kosten her halten. Schließlich waren das bei der Unterbringung im Heim monatlich ca. 2.000 Euro, die das Ersparte weniger wurde. Gut und schön, wäre meine Mutter dort gut betreut worden, wurde sie aber nicht, weil sie nicht in das Betreuungsprofil des Heims passte, es war nämlich ein Pflegeheim. Und als kein Pflegefall, waren die PflegerInnen nur froh, wenn sie nur das Notwendigste für meine Mutter machen mussten. Die Kosten waren aber dieselben, als wäre sie ein Pflegefall gewesen. Sie standen somit in keinem Verhältnis zum tatsächlichen Aufwand. Die 2.000 Euro wurden also monatlich regelrecht verbrannt.

Es kommt noch dazu, dass das Pflegepersonal dort monatelang nicht erkannt hatte, dass sie einen Oberschenkelhalsbruch hatte. Sie war zwar nicht gestürzt, klagte aber über Schmerzen. Trotzdem sah sich niemand dazu bemüssigt, sie zu einem Arzt bringen zu lassen. Sie organisierte sich letztendlich selbst einen Transport zu einem Orthopäden ihres Vertrauens. Er erkannte sofort die Gefahr und eine Woche später wurde sie schon von ihm operiert. Leider war das genau zu der Zeit des geplanten Umzuges. Sie wurde also aus dem Spital in die WG entlassen. Man kann sich vorstellen, wie aufregend diese Zeit war, denn niemand konnte voraussehen, ob sie die Zusatzbelastung und den Umzug gleichzeitig meistern könnte. Zum Glück lief alles gut und sie fühlte sich sofort wohl in ihrem neuen Zuhause. Täglich kümmert sich dort tagsüber ein paar Stunden jemand um die Bewohner und Bewohnerinnen. Nachts ist niemand da, so rüstig muss man sein, damit man dort wohnen kann. Zumindest alleine auf die Toilette muss möglich sein.

Wer meine Mutter kennt, weiß, dass sie mir auch dort das Leben nicht immer leicht macht, aber bis heute ist sie dort und es läuft soweit alles wie erwartet. Sie hat noch immer kaum Interesse an der Welt, wenngleich sie sehr viel fern sieht und sich damit auf dem Laufenden hält. Aber sie geht nur vor die Tür, wenn es unbedingt notwendig ist. Die Gefahr besteht dabei, dass sie immer immobiler wird und letztendlich doch bald ein ein Pflegefall ist. Was auch immer passiert, ich weiß – so schwer es auch ist – in meinem eigenen Interesse ist es, meinen Frieden mit ihr und der ganzen Situation zu finden. Das führt nur darüber, ihr zu vergeben. Vergessen werde ich nie was passiert ist, und ich muss auch mit den Folge leben, aber was auch immer noch geschieht, ich werde versuchen, es im Frieden mit ihr zu erleben und so gut es geht annehmen.

Im Juli 2015 schrieb ich davon, die Geschichte meines Lebens in irgendeiner Weise nützen zu wollen. Über ein Casting für einen Film, von dem ich zufällig über Facebook erfahren hatte, lernte ich die Tochter von Vera Russwurm kennen. Draus ergab sich, dass ich mit einer Woman-Redakteurin vermittelt wurde, was in einer Story in diesem Frauenmagazin mündete. Das war im Oktober 2016. Dieselbe Story wurde dann in der Bild (ja, die Deutsche Tageszeitung Bild) nur in etwas verkürzter Form abgedruckt. Ich erhoffte mir davon, dass das Thema "Kinder von Prostituierten" in irgendeiner Form aufgegriffen wird oder Filmemacher auf mich aufmerksam werden. Aber die Stories erschienen und wie schon damals bei der Profil-Story, es geschah auch diesmal nichts, einfach gar nichts.

Der Kontakt zu Vera Russwurm führte dazu, dass ich am 10. November dieses Jahres einen 15-minütigen Auftritt in ihrer Talkshow "Das kommt in den besten Familien vor" hatte. Hier ist der Link zur Sendung: https://www.youtube.com/watch?v=yyWdOWd_pdM
Über diese Sendung wurde das Nachtcafé des SWR auf mich aufmerksam und lud mich nach Baden-Baden ein. Kurz vor dem Muttertag 2018 wurde das hier aufgezeichnet (Mein Auftritt beginnt bei 44:35): https://youtu.be/PnZhgKNGmR0?t=2672

Warum ich mir das gebe? Ich denke, die beste Art und Weise mit dem Geschehen umzugehen ist, sich dem zu stellen. Verdrängung führt nur dazu, dass die Schatten größer werden und mehr als gewünscht unbewusst Leben mitbestimmen. Raus aus der Opferrolle und hinein in die Konfrontation, bis das Erlebte einfach als Teil des Lebens angenommen werden kann. Und dafür ist mir kein Weg zu extrem, was auch immer sich als Möglichkeit bietet. Und nun zur spannendsten Neuigkeit in dem Zusammenhang: ein ehemaliger Schulkollege ist Filmemacher. Über Facebook rief er zu einem Crowdfunding einer seiner letzten Projekte auf. So kam ich wieder in Kontakt mit ihm. Ich erzählte ihm von all dem hier und schickte ihm auch den Link. Weil er mich selbst noch als Kind im Sacré Coeur in Erinnerung hat und auch aus derselben Gegend kommt, findet er die Story sehr spannend. Es gibt schon ca. 20 Stunden Videomaterial, auf dem meine Mutter ihre Sicht auf ihr Leben schildert und einen Antrag für eine Filmförderung. Wir warten noch auf Antwort, aber wenn alles gut geht, gibt es ein Filmprojekt. Eine Idee ist es, einen Zweiteiler zu machen. Der erste Teil ist das Leben meiner Mutter aus ihrer Sicht und der zweite Teil ist dann mein Leben und meine Sicht. Die Stories sind natürlich ineinander verwoben, aber die unterschiedlichen Perspektiven machen die auch so schon recht aussergewöhnliche Geschichte noch interessanter.

Beruflich bin ich noch nicht wirklich wo angekommen. Die Selbständigkeit konnte ich nicht realisieren, so wie ich das im letzten Eintrag angekündigt hatte. Zu unklar war das Ziel und die beruflichen Chancen. Nun arbeite ich schon im zweiten Startup als Projektmanager. Ich finde die Startup-Branche spannend, aber mein Herzensprojekt ist PATRON4change. Das ist eine Crowdfundingplattform, die soziales Engagement ermöglicht. Dort werden Pioniere des Wandels in inspirierenden Videos präsentiert, in denen sie von ihren Ideen oder laufenden Projekten erzählen. Über die Plattform haben sie die Möglichkeit, UnterstützerInnen für ihre Vorhaben zu finden. Über eine monatliche finanzielle Zuwendung der UnterstützerInnen entsteht ein Grundeinkommen, mit dem die Pioniere des Wandels ihre Projekte eher umsetzen können. Der Nutzen für UnterstützerInnen ist, dass sie damit soziale Verantwortung wahrnehmen und zeigen können. Außerdem bekommen sie das gute Gefühl, mit ihrem Beitrag selbst Teil der Lösung eines gesellschaftlichen Problems zu sein. Darüber hinaus stellt PATRON4change eine Beziehung zwischen Changemakern und ihren Unterstützen her, damit sie gemeinsam an den Herausforderungen unserer Zeit arbeiten können. Aus dem heraus entsteht ein Ökosystem des Wandels. Es wird schon von einem Programmierer an der Umsetzung gearbeitet, ein Prototyp ist bereits online: https://patron4change.org

Ich versuche also gerade das Problem zu lösen, mit dem ich selbst zu kämpfen habe: Um meine Lebenshaltungskosten bedienen zu können, muss ich einer Erwerbsarbeit nachgehen. Diese hält mich aber davon ab mich um jene Projekte zu kümmern, die aus meiner Sicht wesentlich mehr zum Gemeinwohl beitragen würden als mein Job. Ich denke, dass noch viele Menschen da draußen ihr Engagement nicht ausleben, weil genau dieses Problem nicht gelöst ist. Sie begeben sich somit erst gar nicht auf die Reise, ein Pionier des Wandels zu werden. Somit bleiben viele gute Ideen auf der Strecke, die einen Wandel bewirken könnten, wie wir ihn mehr den je derzeit in der Welt benötigen. Mit Sorge blicke ich nicht nur auf die globalen Entwicklungen, auch in Österreich haben wir mit der neuen Regierung einen Weg der Spaltung und Ausgrenzung eingeschlagen. Die Zivilgesellschaft ist mehr denn je gefordert dagegen zu halten.

Samstag, 25. Juli 2015

Abschließende Reflexion und Ausblick

Ich bin auf einen Artikel gestoßen, der sehr gut darstellt, wie es mir mit meiner Vergangenheit nun geht. Er heißt „Wenn Kinder spüren, dass sie unerwünscht sind...“, abzurufen hier

Hier nun einige Zitate daraus, die für mich überaus zutreffend sind und die ich entsprechend kommentiere:

„Bann-Botschaften können auch indirekt vermittelt werden. Das ist beispielsweise der Fall, wenn das Kind mitbekommt, wie seine Eltern vor anderen in einer Weise über es sprechen, die deutlich machen, dass es besser nicht da wäre.“
Bei mir war es nicht das gesprochene Wort sondern die Handlung, in diesem Fall die Abschiebung, die mir das Gefühl gab, es wäre besser nicht da zu sein.

„Oft wird die Botschaft auch in Form eines ‚Mythos von einer schweren Geburt’ vermittelt, der dann bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit immer wieder mal hervorgeholt wird. ‚Ich wäre bei der Geburt fast gestorben’, ‚Du hast Mami sehr wehgetan damals’, usw. Die unterschwellig übermittelte Botschaft lautet dabei immer ‚Wenn Du nicht gekommen wärst, würde es mir (uns) besser gehen’.“
Obwohl meine Mutter wirklich beinahe bei der Geburt gestorben wäre, ist das natürlich für ein Kind schwer zu verarbeiten. Nachzulesen ist die Geschichte von meiner Geburt hier.

„Sehr häufig und manchmal in den Auswirkungen noch viel schlimmer ist die völlige Anteilnahmslosigkeit der Elternfiguren am Leben, Lieben und Leiden des Kindes. Das ist dann der Fall, wenn das Kind spürt, dass es anstellen kann was es will, es wird dennoch nicht wahrgenommen und anerkannt. Selbst dann nicht, wenn es versucht, Anerkennung für gute Leistungen z.B. in der Schule zu bekommen. Wenn gute Leistungen einfach vorausgesetzt werden. Dann merkt es, dass sein Leben für die Familie einfach nicht zählt. Nichts ist für einen Menschen vom sozialen Standpunkt her schlimmer, als dass seine Existenz von seinem Umfeld nicht anerkannt wird.“
Ich dachte, mit mir würde etwas nicht stimmen, weil sonst könnte ich ja, wie alle anderen Kinder auch, an Wochentagen zumindest abends mit meinen Eltern sein. Mit besonderen Leistungen in Schule und Sport wollte ich dieses Defizit kompensieren. Das war enorm anstrengend. Doch es wurde garnicht richtig wahrgenommen, weil ich als Person in meiner Familie so marginalisiert war. Hauptsache ich war woanders versorgt und niemand musste sich weiter darüber Gedanken machen. Somit drängte sich der Gedanke auf:
„Wenn es mich nicht gäbe, wären die anderen besser dran. Es gibt also oft so genannte Schlüsselmomente, in denen eine Bann-Botschaft angenommen und somit Teil der eigenen Identität wird. Nimmt ein Kind die Bann-Botschaft ‚sei nicht’ für sich an, wird es ab dann permanent versucht sein, gegen seine ‚eingebaute Unzulänglichkeit’ anzuarbeiten. Da es tief in sich seine eigene Daseinsberechtigung in Frage stellt, wird es vielleicht versuchen, Everybody‘s Darling zu werden. Es geht dann im Jargon der Transaktionsanalyse von der Grundeinstellung ‚Die anderen sind ok, ich bin nicht ok’ aus und wird andere immer über sich stellen. Es ist dann auch später, wenn es erwachsen ist, für seinen Selbstwert vollkommen abhängig von den Zuwendungen und dem Wohlwollen seiner Mitmenschen. So jemand verzichtet gerne auf die Erfüllung oder auch nur Anmeldung eigener Bedürfnisse. Hauptsache, man fällt nicht beim Anderen in Ungnade. Das geht oft bis zu jenem Punkt, an dem ein Mensch seine eigenen Bedürfnisse gar nicht mehr wahrnehmen kann.“
Das beschreibt gut, wie ich mich als Kind bis hin zu meiner letzten Beziehung verhalten und gefühlt habe, mit all den unangenehmen Konsequenzen.

„Manchmal folgen Menschen der Bann-Botschaft ‚sei nicht’ bis zum bitteren Ende und ziehen sich Stück für Stück oder auf einen Schlag selbst aus dem Leben. Die Bandbreite reicht von Arbeitssucht und Extremsportarten mit hohem Risiko oder ‚Autofahren wie ein Todeskandidat’ über Alkohol- und Drogenmissbrauch bis hin zum vollzogenen Suizid.“
Wenngleich die Phantasien diesbezüglich bei mir da sind hoffe ich doch, dass mir dieses Schicksal erspart bleibt.

„Die Lösung geht zunächst über die Bewusstmachung der im Hintergrund wirkenden Dynamiken und später über ‚die Erlaubnis zu sein’. Betroffene können in Therapie und Coaching lernen, in der Übertragungssituation mit einem Professional heilsame und korrektive Beziehungserfahrungen gleichsam neben die alten negativen zu stellen.“
Ich habe schon früh angefangen stabile Beziehungen zu Frauen aufzubauen. Die meiste Zeit meines Lebens ab 17 war ich in solchen. Eine dauerte sechs und die letzte sogar neuen Jahre. Dort hatte ich Einfluss auf die eigene (nicht immer) heile Welt, die ich meiner Kindheit versuchte entgegen zu stellen. Therapie- und analyseerfahren bin ich auch. Aber das sollte meiner Meinung nach ohnehin jeder sein. Bei mir gab es nur vielleicht ein paar gute Gründe mehr. Trotzdem hat doch ohnehin jede*r sein/ihr Packerl zu tragen und kein Leben kann mit einem anderen verglichen werden.

Die letzte Beziehung endete im Februar 2014. Sie zerbrach u.a. unter der Last, die mir meine Mutter durch ihre Suizidversuche und deren Konsequenzen auferlegt hatte. Meine Partnerin brachte einen Sohn in die Beziehung ein. Es war von Anfang an eine problematische Konstellation mit vielen Herausforderungen, die wir in guten Zeiten aber gemeinsam meisterten. Doch eine Zeit lang brach ich dann komplett weg und ich konnte nicht mehr jene Unterstützung bieten, die sie von mir gewohnt waren. Ich realisierte, dass unsere Lebenssituation darauf aufgebaut war, dass ich eine Stütze bin. Durch meine Krise funktionierte das ganze System nicht mehr. Ich hatte immer mehr das Gefühl es niemandem mehr recht machen zu können und mein zu Hause verwandelt sich in einen Ort, wo ich mich permanent unter Zugzwang fühlte und nicht mehr entspannen konnte. Ich floh in jene Wohnung, in der ich schon einmal im Alter zwischen 19 und 25 Jahren gewohnt hatte. Ich sah das anfangs als absoluten Rückschlag und ich fühlte mich als Versager. Aber viel schlimmer war noch, dass ich meine zu Hause verloren hatte. Ich fühlte mich sehr allein und war unendlich traurig. Ich begann ein Monat später wieder zu arbeiten, nachdem ich als Burnout-Prävention ein Jahr in Bildungskarenz war. Diesmal aber nicht mehr 40 Stunden pro Woche sondern 20. Mehr wäre in dieser Situation nicht gegangen. Von meiner Einsamkeit lenkte ich mich mit Dates ab. Mittlerweile gab es Apps, mit denen es relativ leicht war Frauen kennen zu lernen. Obwohl ich keine Beziehung wollte, weil ich noch viel zu frisch getrennt war, gerat ich permanent an Frauen, die gerade den Mann für’s Leben suchten. Ich spielte dann auf Zeit. Ich wusste ja wirklich nicht, wie lange meine Wunden noch zum Heilen brauchten. Dazwischen gab es aber auch ein paar aufregende Abenteuer. Mittlerweile bin ich mit einer Frau liiert, der ich zwar zu verstehen gab, dass der Platz neben mir nur temporär frei ist, doch sie nahm ihn ein und hat sich nicht mehr weg bewegt. Sie lässt mich so sein wie ich will und gibt mir gleichzeitig das Gefühl richtig zu sein, egal was ich mache und wie ich mich verhalte. Das bin ich aus den vorangegangenen Beziehungen nicht gewohnt und somit ist das etwas Neues für mich. Ich genieße es und es ist heilsam. Mal sehen, wie sich das weiter entwickelt.

Beruflich sieht es nun so aus: Nachdem ich das Angestelltendasein immer schon als Gefängnis empfunden habe, aus dem ich irgendwann ausbrechen muss und ich es immer schon wissen wollte, wie das ist, möchte ich mich als nächsten Schritt selbständig machen. Tun was man ist und sein was man tut. Ich weiß, wenn ich es nicht ein Mal im Leben probiere, ist das sicher ein Vorwurf, den ich mir im Alter dann machen werde. Jetzt ist ein guter Zeitpunkt. Ich bin nichts und niemandem verpflichtet außer mir selbst und meine Fixkosten sind gering. Ich habe vor, das Unternehmensgründungsprogramm des AMS in Anspruch zu nehmen.

Am 15. Juni war mein letzter Arbeitstag. Dann war ich drei Wochen im Urlaub. Nun bin ich schon wieder ca. 10 Tage im Land und frage mich: „Was will bloß durch mich in die Welt kommen?“ Nachdem ich mal die Werbeakademie gemacht sowie Sozialarbeit studiert habe und in beiden Bereichen einiges an Berufserfahrung sammeln konnte, ist es naheliegend, dass ich eine Agentur gründe, die sich auf ein Feld spezialisiert, das mich auch selbst interessiert. Es bietet sich an ein social entrepreneur zu sein und meine Dienste jenen Menschen anzubieten, die versuchen einen aus meiner Sicht notwendigen Wandel herbeiführen, den so genannten Changemakern, Gamechangern oder auch Agents of Change. Das sind Personen, die wie ich nicht akzeptieren wollen, dass es so viele Missstände in der Welt gibt. Sie hinterfragen die Art und Weise, wie wir uns organisieren und miteinander wirtschaften. Derzeit sieht es so aus, als würde nur eine Minderheit die Früchte für sich ernten, und zwar auf Kosten der Mehrheit und der Natur, die unser aller Lebensgrundlage darstellt. Die derzeitigen Profiteure sind die Lokführer in einem Zug, in dem wir alle sitzen. Wir wissen zwar nicht wohin die Reise geht, aber uns wird gesagt, dass wir noch schneller fahren müssen. Mehr Wachstum, mehr Arbeitsplätze, mehr Schulden, mehr Selbstausbeutung ,... unter dem Deckmantel des sogenannten Fortschritts. Meiner Meinung nach führt die Reise schnurstracks gegen die Wand. Mit unserem Lebensstil quetschen wir heute schon Mensch und Natur aus. Wir müssen genau das Gegenteil machen von dem was uns vorgebetet wird. Da draußen gibt es schon Menschen, die das verstanden haben, und nicht auf Lösungen seitens des Staates durch Politiker warten. Sie haben begonnen eigene, alternative Wege zu beschreiten. Sie sind die Helden von heute und die Hoffnung von morgen. Sie gilt es zu unterstützen. Und grad in Wien findet sich eine relativ große Szene dieser Pioniere des Wandels rund um Co-Consum, Coworking- und housing, Upcycling, Open Knowledge, Ernährungssouveränität, Nachhaltigkeit, Permakultur, Energieautonomie, freie demokratische Bildung, neue Formen der Arbeit und Mitarbeiterbeteiligung, Fairteilung und Grundeinkommen, Sharing- und Schenk-Economy und und und. Meine investierte Lebenszeit und Energie soll sie dabei unterstützen nachhaltig unsere Welt zum Bessern zu verändern. Das ist einmal zumindest der Plan. Ob er aufgeht? Keine Ahnung, aber ich werde weiter berichten. Nur ob das hier in diesem Blog passiert, darüber bin ich mir noch nicht im Klaren. Ich denke auch daran, die Geschichte an Filmemacher weiter zu geben. Sie hätte meiner Meinung nach das Zeug dazu in irgendeiner Form filmisch verarbeitet zu werden. Wer mir diesbezüglich weiter helfen kann möge sich bitte bei mir melden.

Dienstag, 21. Juli 2015

Ein Schrecken ohne Ende

...dabei wäre es schon fast ein Ende mit Schrecken geworden. Nicht nur ein Mal.

Am 26. August 2014 war es dann soweit. Ich wurde der Sachwalter meiner Mutter (siehe Dokument anbei). Die Richterin meinte bei einem vorangegangenen persönlichen Termin, dass der Hausverkauf noch abgeschlossen werden müsste und da wäre die Expertise meiner Vorgängerin gefragt. Diese war Rechtsanwältin. Nun war der Hausverkauf unter Dach und Fach.

Für ihre Dienste des vergangenen Jahres musste ich ihr 6.369,88 Euro abzüglich des Verkaufspreises des Mercedes meiner Mutter überweisen. Diese 1.300 Euro hatte sie schon in der Tasche. Das wurde vom Gericht als gerechtfertigt angesehen. Von mir natürlich nicht, denn ich wusste, wie wenig sie sich in dem Zeitraum um meine Mutter gekümmert hatte. Abgestimmt auf die Sachwalterentschädigung bekommt auch das Gericht eine Aufwandsentschädigung, in diesem Fall 1.533 Euro. Auch dieses Geld überwies ich. Das Haus mit 1.000 Quadratmetern Grund in bester ruhiger Lage in Purkersdorf, einem Vorort von Wien, wurde um 300.000 Euro verkauft. Ich kann schwer einschätzen, ob das zu wenig war. Zusammen mit diesem Geld hatte meine Mutter bei der Übernahme ein Vermögen von 321.891,52 Euro. Das Heim kostet an Monaten mit 31 Tagen 4.155,86 Euro und sonst 4.021,80 Euro. Für den Eigenbedarf (Einkäufe, Friseur, Pediküre, Wäschewaschen, Zigaretten,...) braucht sie ca. 350 Euro pro Monat. Durchschnittlich hat sie also ca. 4.500 Euro im Monat an Ausgaben. An Pension erhält sie ca. 1.200 Euro (inklusive Witwenpension) plus ca. 300 Euro Pflegegeld. Somit ergibt sich ein Minus von 3.000 Euro im Monat. Ihr Vermögen reicht also noch für ca. 8 Jahre in diesem Heim.

Ihrer Ansicht nach wird sie dort nur aufbewahrt und abgehandelt. Die meiste Zeit liegt sie (freiwillig) im Bett in ihrem Einzelzimmer. Wenn jemand zu ihr kommt, dann um Medikamente zu verabreichen oder Essen zu bringen. Es ergibt sich kein Gespräch. Selbst wenn es diese Intension seitens der Pflegekräfte gäbe, es wäre kaum möglich, denn das Pflegepersonal spricht durchwegs schlechtes oder gar kein Deutsch. Aus ihrer Sicht wird sie nicht richtig gewaschen. Deshalb macht sie das lieber selbst. Das Essen schmeckt ihr nicht. Dort wird nicht frisch gekocht, es wird geliefert und aufgewärmt. Dinge, die ihr schmecken würden wie Pommes frites gibt es nie. Es ist ein Pflegeheim, doch meine Mutter ist kein Pflegefall. Solange sie das nicht ist, hat sie allerdings gewisse Privilegien. Sie wird in Ruhe gelassen. Später würden sie sie zum Essen hinaus holen und an einen Sessel fixieren. Selbst wenn sie körperlich abbauen würde, sie verschwiege es. Denn es gibt nichts was sie mehr fürchtet, als nicht mehr aufstehen zu können und der Pflege dort ausgeliefert zu sein. Nachdem sie aber in keinster Weise gefördert wird und sie auch am liebsten im Bett liegt, ist dieses Schicksal aber absehbar.

Die meisten Menschen in diesem Heim sind ein Pflegefall. Sie hat niemanden mit dem sie spazieren gehen kann oder eine angeregte Konversation führen kann. Sie wird körperlich und geistig schnell abbauen. Wenn ich ihr sage, dass sie dort nicht hin gehört, weil sie kein Pflegefall ist, dann entgegnet sie mir, sie könne aber jederzeit einer werden und dann wäre sie schon am richtigen Ort und müsste nicht wieder umziehen. Hier beißt sich die Katze irgendwie in den Schwanz. Hinzu kommt noch, dass dieses Heim keinen Vertrag mit dem Land Niederösterreich hat. Sobald sie kein Geld mehr hat, müsste sie ohnehin ausziehen, weil dann das Land die Kosten nicht übernimmt. Und wenn sie sowieso dann umziehen muss, dann doch so lange sie noch besser beieinander ist. Aber das will sie nicht. Ich war mit ihr sogar schon ein anderes Heim ansehen, das ihr bei der Besichtigung gut gefallen hat. Es ist ein Betreutes Wohnen mit ca. 10 Wohneinheiten in einem Haus mit Garten, nicht weit weg beim Wienerwaldsee. Es würde dort jeden Tag frisch gekocht werden und nur Hälfte kosten. Ich weiß nicht wer sie dann bearbeitet hat, aber eine Woche später hatte sie einige fadenscheinige Gründe, warum das dort sicher nicht besser wäre. Ich kann nur sagen, dass sie aus der Sicht des jetzigen Heimes wenig Arbeit macht...

Sie wünscht sich jeden Abend am nächsten Morgen nicht mehr aufwachen zu müssen. Das Thema, wie sie es das nächste Mal versuchen könnte, damit es sicher klappt, das sparen wir mittlerweile aus. Diese ausweglose Situation belastet mich und selbst als ihr Sachwalter kann ich ihr keinen besseren Platz organisieren, wenn sie das nicht will. So lebt sie nun ein Leben, das ihr aufgezwungen wird in einer Unterbringung um viel Geld für Pflegeleistungen, die sie nicht in Anspruch nimmt und selbst wenn sie das müsste, solange wie möglich verschweigen würde. Ich stehe dem Ganzen hilflos gegenüber und sehe mein Erbe dahinschwinden – für nichts. Wenn sie wenigstens noch ein gutes Leben damit leben würde, dann ergäbe das Ganze wenigsten noch irgendeinen Sinn, aber so ist es einfach nur zutiefst erschütternd.

Umso mehr ich darüber nachdenke, desto schlimmer ist es für mich. Also versuche ich trotzdem irgendwie Frieden damit zu schließen und nicht so oft daran zu denken. Wenn ich sie dann besuche oder mit ihr telefoniere, dann können wir nur oberflächlich miteinander sprechen, weil alles andere zu belastend ist. Mir gelingt es nicht immer. Und dann kommt das Elend dieser ganzen Situation und der Vergangenheit hoch. Danach geht es mir natürlich nicht gut und die Abstände zwischen den Besuchen werden größer. Wer kann mir das schon verübeln, nachdem er/sie alle Einträge dieses Blogs gelesen hat. Einziges Trostpflaster ist, dass ich dann Ende August die Sachwalterentschädigung verrechnen darf. Und da sind wir dann wieder bei jenem Thema, das meine ganze Kindheit vergiftet hat, das gute alte verdammte Geld. Es hat das Leben meiner Mutter bestimmt und somit auch mir die so wichtige Zeit bei ihr genommen. Und es ist das was am Ende bleibt, zumindest noch ca. 8 Jahre. Dann ist auch das dahin.

Samstag, 2. November 2013

Der letzte Akt, letzter Teil

November 2012: Also da war sie nun, meine Mutter, nach dem zweiten Selbstmordversuch wieder nach Hause entlassen. In ein Haus, in dem es einmal Leben gab. Nun war sie aus ihrer Sicht eine Eingesperrte. Sie wagte sich nicht mehr vor die Tür. Sie dachte, die Nachbarschaft hätte sich wegen ihrer Handlungen gegen sie verschworen und sie wäre deshalb das Gespött der Siedlung. Das Streben nach dem perfekten Schein nach außen war es, was sie die meiste Zeit ihres Lebens antrieb. Nun war er unwiderruflich beschädigt. Die 19jährige Berufsanfängerin wurde nach ein bis zwei Wochen zwar ausgetauscht, aber die folgenden Pflegerinnen konnten auch wenig bis gar kein Deutsch und waren in Österreich deshalb selbst hilflos. Was sie wirklich von einer 24-Stunden-Betreuung gebraucht hätte, das wäre Gesellschaft gewesen, eine Person zum Reden, die auch außer Haus verlässlich für sie Dinge erledigen kann.

Darüber hinaus kümmerten sich die Personen von der Kanzlei, deren Chefin mit der Sachwalterschaft beauftragt worden war, viel zu wenig um sie. Ganz im Gegenteil, nur schwer war jemand von dort für sie erreichbar. Aus ihrer Sicht kümmerte sich generell niemand wirklich um ihre Anliegen. Wenn jemand kam, dann überraschend und unregelmäßig. Die Besuche waren auch sehr kurz gehalten und die Leute wirkten immer sehr gehetzt. Niemand von der Kanzlei nahm sich Zeit für sie.

Meine Mutter wurde zur Bittstellerin degradiert, die um ihr eigenes Geld anfragen muss. Es kam auch vor, dass ihr das Geld ausging, sie nicht wusste, wann sie wieder welches bekommen würde und sie sich deshalb welches von Frau T. borgen musste. Meine Mutter konnte noch fast alles selber machen. Ein Problem war deshalb, dass die Pflegerinnen kaum etwas zu tun hatten. Verständlicherweise war ihnen folglich auch langweilig und es drehte sich somit alles ums Essen. Sie kauften zu viel ein und kochten in Übermaßen. Auf der einen Seite wollten sie sich nützlich machen, weil sie bekamen ja dafür bezahlt. Andererseits machte meine Mutter kaum Bewegung und hatte wenig Appetit. Dennoch wollte sie die Arbeit und den guten Willen dahinter honorieren und zwang sich so gut es ging, den wohlwollenden Essensaufforderungen nachzukommen. Folglich wurde zu viel Geld für Essen ausgegeben, das dann aber zum Großteil aber doch in der Biotonne landete. Das war ein Umstand, den meine Mutter nur schwer ertrug.

Mitteilen konnte sie das weder den Pflegerinnen, weil die das nicht verstehen konnten (oder wollten) noch den Mitarbeitern der Kanzlei, weil die sich nur flüchtig mit ihr und ihren Problemen auseinander setzten. Sie hätte es noch einem Therapeuten erzählen können. Eine Therapie wurde sogar in Entlassungspapieren der Psychiatrie empfohlen, aber in diese Richtung wurde nie etwas unternommen. Also blieb nur noch ich über. Sie rief mich fast täglich an und erzählte mir von den oben beschriebenen, schrecklichen Zuständen. Ich war damals in einem 40-Stunden-Job, in dem ich viel Energie geben musste, weil ich benachteiligte Jugendliche betreute, die selbst zu kurz gekommen waren und nun viel Hilfe und Aufmerksamkeit von mir benötigten. Solange es einem privat halbwegs gut geht, kann man so eine Arbeit leisten und sie ist dann auch bereichernd. Aber mitzuerleben, wie es mit meiner Mutter immer weiter bergab ging und obendrein die zur Verfügung gestellte „Hilfe“ die ganze Situation nur noch schlimmer machte, das war schon schwer zu ertragen. Aber dann auch noch der Einzige für sie zu sein, bei dem sie sich auskotzen konnte, das ging über meine Belastungsgrenze. Ich litt selbst unter der ganzen Situation und hätte selbst Hilfe benötigt. Das Schlimmste daran war aber, dass sie mich in ihre Selbstmordgedanken miteinbezog. Sie sagte mir, ich wäre der Einzige, den sie diesbezüglich um Rat bitten könnte, wie sie es beim nächsten Versuch anstellen sollte, damit es sicher klappt... Das brachte das Fass dann wirklich zum Überlaufen.

Gleichzeitig fühlte ich mich aber verantwortlich für sie und die ganze Misere. Ich wusste, dass ich wirklich der Einzige war, der etwas gegen diese aussichtslose Situation machen konnte. Ich intervenierte bei Gericht im Namen meiner Mutter und schrieb den Rekurs, in dem sie die Einstellung der Sachwalterschaft fordert und sich darüber beklagt, dass dem Auftrag ein funktionierendes Hilfesystem in Form einer 24-Stunden-Betreuung zu installieren, nicht nachgekommen wird und die Sachwalterschaft somit versagt hat. Oder wenigsten sollten ihr fähigere Personen zur Seite gestellt werden, sowohl professionelleres Betreuungspersonal als auch ein Sachwalter, der sich wirklich um sie und ihren Fall annimmt, wie zum Beispiel ein Sachwalterschafts-Verein. Der Rekurs wurde abgelehnt, weil formell alles richtig war und auf Inhaltliches in dieser Instanz nicht eingegangen wird.

Zusammengefasst: Meine Mutter war mit ihrer Lebenssituation komplett überfordert. Die Kanzlei der Sachwalterin kümmerte sich zu wenig und was von dieser Seite kam goss nur Öl ins Feuer. Der Rechtsstaat sah keinen Handlungsbedarf und ich konnte in meinem überlasteten Zustand nur bedingt in den Ring steigen. Ich tat was ich damals konnte, aber musste einsehen, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis es meine Mutter wieder versuchen würde, sich das Leben zu nehmen. Das und darüber hinaus die Tatsache, mich diesbezüglich als Verbündeten ins Boot holen zu wollen schreckte mich ab überhaupt mit ihr in Kontakt zu treten. Es war wie auf Messers Schneide und eine unerträgliche Situation für alle Beteiligten.

Doch einen Hoffnungsschimmer sahen wir am Horizont. Das Gesetz, in dem die Sachwalterschaft geregelt ist sieht vor, dass eine solche zuerst nur vorübergehend eingerichtet werden darf. Am 30. Jänner 2013 gab es einen Gerichtstermin, zu dem meine Mutter und die Sachwalterin vorgeladen wurden und bei dem entschieden werden sollte, ob es eine dauerhafte Sachwalterschaft werden würde. Ich vereinbarte mit meiner Mutter sie von zu Hause abzuholen und zum Termin zu begleiten. Im Zuge dessen wollten wir alle Missstände aufzeigen und hofften auf einen fähigen Richter, der dem Grauen ein Ende bescheren würde. Doch leider sollte es nicht dazu kommen. Diesmal machte mir meine Mutter einen Strich durch die Rechnung und nahm ein paar Tage davor wieder Unmengen an Schlaftabletten. Natürlich wurde sie von der rund um die Uhr anwesenden Pflegerin am nächsten Tag zu Mittag aufgefunden. Diesmal kam sie nach St. Pölten auf die Intensivstation. Wieder der erste Besuch mit Schläuchen und dem Ärztegespräch jedoch zusätzlich mit der Hiobsbotschaft, die Nieren hätten versagt und ein Auge könnte erblinden. Beim Gerichtstermin trat die Sachwalterin dann offiziell als Vertreterin meiner abwesenden Mutter aber in eigener Sache auf und natürlich wurde die Sachwalterschaft somit eine dauerhafte. Ich war keine Partei und hätte nur als Begleitung meiner Mutter erscheinen dürfen.

Diesmal war der Wunsch, alles würde endlich zu Ende gehen stärker als die Angst und die Trauer über ein mögliches Ableben. Doch sie erfing sich auch diesmal, nur blieben diesmal bleibende Schäden. Zwar fingen die Nieren wieder an zu arbeiten, jedoch ein Auge war in Mitleidenschaft gezogen. Als hätte sie einen heftigen Schlag darauf bekommen. Der rechte Fuß ist seither auch geschwollen und schmerzt, genauso wie das dazugehörige Bein. Sie hinkt deshalb und ist nun auch aus physischen Gründen nur mehr eingeschränkt mobil.

Diesmal war die Auflage für eine Entlassung seitens der Psychiatrie, dass sie in ein Heim kommt. Das KH Tulln setzte der Sachwalterin eine Frist von etwa einer Woche, einen Heimplatz zu finden. Sie sollte aber in der Nähe ihres Hauses bleiben. Also gab es weder Zeit noch viel Auswahl, weswegen sie in die Seniorenresidenz Hoffmannpark in Purkersdorf übersiedelt wurde. Die Kosten für die Unterbringung in dieser Einrichtung werden nicht durch das Land Niederösterreich gefördert (durch Wien schon) und belaufen sich auf über 4.000 Euro im Monat.

Die Sachwalterin hat sich kein bisschen persönlich um meine Mutter gekümmert. Seit des Einzugs am 11. März 2013 gab es zwei Besuche seitens der verantwortlichen Sachwalterkanzlei zu je ca. zehn Minuten. Hätte ich ihr nicht die wichtigsten Sachen aus dem Haus gebracht, dann hätte es niemand gemacht. Meine Mutter lebte fünf Jahrzehnte in ihrem Haus und musste in eine für sie komplett neue Umgebung. Trotzdem fand es die Sachwalterin nicht der Mühe wert sie wenigsten anzurufen um zu erfragen, wie es ihr geht. Ab kurz vor Weihnachten gab es über vier Monate lang keine Kontaktaufnahme ihrerseits. Stattdessen machte sie mich bei der zuständigen Richterin schlecht. Sie hätte das Einschalten der Heizung im Zuge der zweiten Entlassung an mich delegiert, ich würde meiner Mutter das Essen nicht vergönnen (siehe Pflegerinnenfadesse oben) und ich wäre geldgierig. Mein Mutter wollte meiner Lebensgefährten, ihrem Sohn und mir für Weihnachten und zum Geburtstag etwas zukommen lassen und nachdem sie ja nicht mehr über ihr Geld verfügen kann, wendete ich mich mit dem Anliegen an die Sachwalterin, die das zu diesem Zeitpunkt auch einsah und das Geld anstandslos überwies. Als ich bei einem Telefonat mit der Richterin davon erfuhr nahm ich von dem Recht gebrauch, als Angehöriger Meldung beim Gericht zu machen, wenn man eine Gefährdung der besachwalteten Person feststellt. Ich stelle den Text dieses Dokuments eins zu eins im Anschluss an diesen online. Darin habe ich nochmals auf alle Missstände hingewiesen. Gebracht hat es nichts. Es gab nicht einmal irgend eine Reaktion darauf. Null. In meiner Verzweiflung wandte ich mich auch an die Volksanwaltschaft. Es gab eine Antwort von Volksanwältin Dr. Gertrude Brinek; ein Auszug daraus: „Gleichzeitig sichere ich Ihnen zu, dass ich Ihren Beschwerdefall in Evidenz halte und gegebenenfalls wieder auf Sie zukommen werde. Weiters werde ich dem Parlament als Gesetzgeber Ihre sehr eindrücklich geschilderten Wahrnehmungen zur Kenntnis bringen.“ Das war’s.

Nun soll das Haus verkauft werden. Doch in Anbetracht der hohen Unterbringungskosten und weil ja unbekannt ist, wie lange meine Mutter noch lebt, läge es in ihrem Interesse, das Vermögen so lange wie möglich zu erhalten. Somit wäre die Vermietung des Hauses naheliegender, weil so eine zusätzliche Einkommensquelle entstünde und der Wert des Hauses erhalten bliebe. Doch die Vermietung ist der Sachwalterin zu mühsam. Aus heutiger Sicht muss ich mich von einem diesbezüglichen Erbe verabschieden. Das mit dem Verkauf lukrierte Geld wird zur Gänze in die Pflege meiner Mutter fließen. Am Ende bleibt mir vielleicht wirklich nur mehr Erichs Schmuckschatulle (siehe Eintrag von 22. Oktober), aber weder von meinen beiden Vätern noch von meiner einst so gut verdienenden Mutter etwas übrig. 

Bis heute haben wir keine Begründung dafür, warum ich nie gefragt wurde, die Sachwalterschaft zu übernehmen. Ich empfand sie von Anfang an als ungerechtfertigt, wollte sie dann aber auch nicht unbedingt übernehmen, weil ich neben den ganzen psychischen Strapazen das nicht auch noch umgehängt haben wollte. Aber die nachlässige Art und Weise, wie sich diese Sachwalterschaft in der Praxis gestaltet, ist einfach eine bodenlose Frechheit. Diese war nicht hilfreich, sondern hat die Situation nur noch verschärft.



Hier nun wie angekündigt meine Meldung an das Gericht:

An die zuständige Richterin,
Wien, 2. April 2013

Vorab möchte ich darauf hinweisen, dass meine Mutter mittlerweile in die Seniorenpflegeresidenz HoffmannPark umgezogen ist. Dementsprechend ist Post für sie bitte dorthin zu adressieren. Ob sie schon dort gemeldet ist entzieht sich meiner Kenntnis.

Meine Mutter wollte gegen den Beschluss von 13.3. (Oberlandesgericht St. Pölten) bzw. 19.3.2013 (BG Purkersdorf) zeitgerecht Rekurs einlegen und wieder um die Einstellung ihrer Sachwalterschaft bitten bzw. wenn dies nicht möglich ist, mich als ihren Sachwalter einsetzen. Aufgrund eines Telefongespräches am 28. März mit einer Mitarbeiterin des BG Purkersdorf, in dem ich über die Chancen eines weiteren Rechtsmittels, das den Obersten Gerichtshof anruft, aufgeklärt wurde, kam ich dann zum Schluss, dass dies wenig Sinn machen würde, weshalb ich meine Mutter auch davon abraten werde. Auch weil sie dazu einen Rechtsanwalt bräuchte, den sie sich nicht leisten kann, weil ihr die Sachwalterin dafür wohl kaum Geld zugestehen würde.
Unter Berufung auf § 281 ABGB, Absatz 4 möchte ich hiermit kundtun, dass das Wohl meiner Mutter von Beginn der Sachwalterschaft an gefährdet war und generell die Sachwalterin in ihrem Handeln in Bezug auf meine Mutter gegen § 281 ABGB, Absatz 1 verstoßen hat und bis heute verstößt.

Hier nun die Begründung:

Gemäß § 275 ABGB, Absatz 1 hat der Sachwalter das Wohl des Pflegebefohlenen bestmöglich zu fördern. Leider entspricht das Vorgehen von der Sachwalterin nicht diesem Gesetz. Wie könnte es denn auch, wenn sie meine Mutter nicht kontaktiert, demnach auch nicht mit mir spricht und somit auch nicht wissen kann, wie es ihr geht und was ihre Anliegen sind. Seit Weihnachten 2012 hat meine Mutter sie nicht mehr gesehen oder gehört, wenngleich sie in der Zwischenzeit beinahe verstorben ist, anschließend auf der Intensivstation des KH St. Pölten war und danach in ihre derzeitige Unterkunft umgezogen wurde. Das war ein riesiger Schritt für sie, nachdem sie über ein halbes Jahrhundert in ihrem Haus in der Süßfeldstraße gelebt hatte. Nicht nur, dass sie sie in dieser schweren Zeit links liegen gelassen hat, sie hat damit auch gegen § 282 ABGB verstoßen, der besagt, dass der Sachwalter mindestens ein Mal im Monat Kontakt zu der besachwalteten Person haben sollte. Wäre ich nicht für sie da gewesen, hätte sie nun nicht einmal ihre wichtigsten Habseligkeiten bei sich.

Ich möchte an dieser Stelle auch noch eine Sache klar stellen, die in dem letzten, oben genannten Beschluss Erwähnung findet und meine Person betrifft. Meine Mutter hat der Sachwalterin an einem Mittwoch vor ihrer zweiten Entlassung (am darauffolgenden Dienstag) ihren Hausschlüssel gegeben mit der Bitte, sich in den verbleibenden sechs Tagen darum zu kümmern, dass die Heizung in ihrem Haus eingeschaltet wird und dass dies nur von einem Installateur gemacht werden könne. Weder ich, noch mein Vater haben das je selber gemacht, weil das eine komplizierte Anlage ist, eine Kombination aus Gasheizung und Wärmepumpe, die im Sommer-/Winterbetrieb jeweils andere, sich teilweise ergänzende, Funktionen übernehmen. Als die Sachwalterin mich darum bat, sich dessen anzunehmen wies ich darauf hin, dass das nur von einem Fachmann gemacht werden kann und ich es sicher NICHT übernehmen würde. Am Tag ihres Einzugs wurden dann ihre schlimmsten Befürchtungen wahr und es hatte nur 7 Grad Celsius im Haus. Trotz unserer Hinweise versuchte dann die Sachwalterin selbst die Heizung einzuschalten, was ihr natürlich nicht gelang und sie trotz Vorwarnung und ausreichender Vorlaufzeit erst dann einen Installateur rief, der erst nach drei Tagen (am Freitag) kam und die Heizung einschaltete. Bis dahin mussten die Pflegerin und meine Mutter im Haus frieren.

Zum Vorwurf, dass ich nur auf das Geld meiner Mutter aus sei und als Beispiel die Überweisung der Sachwalterin angeführt wurde, möchte ich folgendes anmerken: Ich hatte am 9. November Geburtstag, meine Lebensgefährtin am 22. Jänner und ihr Sohn am 16. Jänner. Sie wollte uns allen wie jedes Jahr zu Weihnachten und zum Geburtstag ein Geschenk machen. Nachdem sie nicht in der Lage war etwas zu besorgen, bat sie die Sachwalterin eine Geldüberweisung zu machen. Darüber hinaus wollte sie mir ein Neujahrgeld in der Höhe der Autobahnvignette zukommen lassen. Das sind drei Personen und sieben Anlässe, weshalb 880 Euro meiner Meinung nach durchaus angemessen sind.
Und weil wir schon beim Geld sind. Die Sachwalterin hat Sparbücher und Schmuck meiner Mutter aus den Schließfächern der Bank an sich genommen und davon gesprochen, sie würde eine Vermögensaufstellung inklusive Schätzung des Schmucks machen lassen. Bis heute hat meine Mutter nichts davon gesehen. Sie weiß genau, welcher Schmuck dort aufbewahrt war. Es gibt auch Fotos davon. Wie kann sie nun sicher sein, dass die Sachwalterin nicht irgendwann behauptet, es wäre weniger in den Schließfächern gewesen als wirklich dort war? Und wenn sie es machen sollte, wie kann dann bewiesen werden, dass es doch mehr war? Man kann hierbei doch mehr Transparenz erwarten, oder? Außerdem hat sie meine Mutter nie gefragt, ob sie eines der Schmuckstücke noch tragen will. Immerhin sind das Erinnerungsstücke an eine gute Zeit in ihrem Leben gemeinsam mit ihrem verstorbenen Mann. Es würde ihr viel bedeuten.

Zum Vorwurf, ich hätte mich darüber beschwert, die Pflegerin würde zu viel kochen möchte ich auch Stellung nehmen. Nachdem ihr auch nach der Auswechslung der 19jährigen Berufsanfängerin keine Pflegerinnen zur Seite gestellt bekommen wurde, die Deutsch sprechen und sie nicht besonders pflegeintensiv war, gab es weder viel zu reden noch viel zu tun für die Pflegerinnen. Also vertrieben sie sich die Zeit mit Putzen und Kochen. Nachdem sie wenig mobil war, verbrannte sie auch kaum Energie. Trotzdem wollten die Pflegerinnen immer, dass sie isst, weit mehr als sie konnte. Das war für sie eine unerträgliche Situation und sie nahm immer mehr zu. Damit viel gekocht werden kann, muss man auch viel einkaufen. Somit kam sie in Geldnöte, da sie nur schwer mit dem Bargeld, das ihr die Sachwalterin zur Verfügung stellte, auskommen konnte. Auch weil die Sachwalterin ihr zu selten Geld vorbei brachte und sie somit in Summe weit weniger zur Verfügung hatte, als eigentlich vereinbart war. Außerdem wusste sie nie, wann sie wieder einmal kurz vorbeischneit. Sie musste sich von ihrer Nachbarin sogar einmal 100 Euro ausleihen, weil sie so in Geldnöten war. Das alles erzählte sie mir und ich versuchte diesbezüglich zu vermitteln.

Apropos Geldsorgen:
Meine Mutter ist in ihrer aktuellen Unterkunft eine Vollzahlerin, das heißt, dass sie keine Förderung vom Land Niederösterreich oder sonst woher erhält. Täglich kostet die Seniorenresidenz 135 Euro, das sind über 4.000 Euro im Monat. Sie selbst hat aber nur eine Pension von etwas über 1.200 Euro im Monat. Die Sachwalterschaft kostet auch Geld. Was sie aber am meisten in diesem Zusammenhang stört ist die Tatsache, dass die laufenden Kosten von Haus und Auto weiter laufen, wenngleich sie nichts mehr davon hat, weil sie voraussichtlich ohnehin nicht mehr in die Süßfeldstraße zurück ziehen wird können. Hier sind folgende Kosten gemeint: Versicherungen, Gas, Strom, Wasser/Kanalgebühren, TV/GIS/Kabelfernsehen, Festnetztelefon, Abfallentsorgung, Kfz-Steuern und Versicherung,… All diese Kosten belasten noch zusätzlich ihr Budget und bringen ihr nichts. Ich glaube nicht, dass sich die Sachwalterin darum kümmert. Meine Mutter kann es auch nicht wissen, weil die Sachwalterin ja keinen Kontakt mit ihr pflegt. In Hinblick auf die optimale Finanzierung der aktuellen Kosten, die für ihre Unterkunft und Pflege anfallen, wäre es ohnehin das Beste, würde das Haus mit Garten vermietet werden. So würden den hohen Kosten auch Einnahmen entgegen stehen. Aber ich glaube nicht, dass die Sachwalterin dies zu ihren Aufgaben zählt. Gemäß § 275 ABGB, Absatz 1 müsste sie das aber, oder?
Sobald diese Dinge alle geregelt sind und sie auf Dauer wohnhaft in einer Seniorenresidenz ist, gibt es für einen Sachwalter eigentlich nichts mehr zu tun, außer den Geldfluss zu steuern und das kann man mittels Daueraufträge regeln.

Wir verstehen deshalb nicht, was eine Sachwalterschaft auf Dauer rechtfertigt. Meine Mutter ist nicht dement und jederzeit gerne bereit, den Beweis anzutreten. Darüber hinaus hat sie mich, einen Sohn im besten Alter, dem sie zu hundert Prozent vertraut und der überdies auch noch ausgebildeter Sozialarbeiter ist. Hier sei erwähnt, dass die Tatsache, dass ich nie für die Sachwalterschaft in Erwägung gezogen wurde und es auch keinen Grund dafür gibt, zumindest wurde uns noch nie einer mitgeteilt, weswegen ich es nicht sein sollte, gegen § 279 ABGB Absatz 2 verstößt, denn dieser schreibt vor, dass „eine geeignete, ihr nahe stehende Person zum Sachwalter zu bestellen” sei. Sie braucht nur Pflege, weil sie körperlich abbaut und diese hat sie nun dort, wo sie aktuell untergebracht ist. Aber das ist kein Grund, jemanden zu besachwalten.

Der offizielle Grund, weshalb sie besachwaltet ist, ist die Tatsache, dass sie depressiv ist. Gemäß §282 ABGB muss ihr die gebotene ärztliche Betreuung gewährt werden. Nun ist es aber so, dass der Grund, weshalb sie entmündigt wurde und der somit als ihr größtes Makel da steht, noch nie ärztlich behandelt wurde, seitdem die Sachwalterin für sie zuständig ist. Schon bei der zweiten Entlassung nach Hause Ende November 2012 war die jetzige Sachwalterin für sie zuständig. Sie hat sich von Anfang an nicht darum gekümmert, dass meine Mutter einen Psychiater oder einen Therapeuten konsultieren kann, so wie es gemäß dem Entlassungsbrief der Psychiatrie in Tulln zu tun wäre. Bis heute bekam sie diesbezüglich keinerlei Unterstützung. Wenn ihre Depression also der Grund für die Sachwalterschaft ist und sich die Sachwalterin nicht darum kümmert, lässt sich ein Bestreben daraus ableiten, dass sie in diese entwürdigende Situation der Entmündigung und Abhängigkeit einzementiert werden soll. Und die letzten Beschlüsse des Bezirksgerichts Purkersdorf und des Landesgericht St. Pölten haben dazu beigetragen, dass es auch so bleibt, anstatt ihre Situation und die „Hilfe“ der Sachwalterin genau anzusehen und die Entscheidungen zu überdenken. Solange die ganze Angelegenheit weiter in diese Richtung läuft werden wir versuchen jedes zur Verfügung stehende Mittel zu ergreifen um uns dagegen zu wehren.

Denn diese Situation ist aus der Sicht meiner Mutter und somit auch für mich auf Dauer unerträglich und entwürdigend. Somit trägt sie auch nicht zur Besserung der Gesamtsituation bei – ganz im Gegenteil. Schon die Art und Weise, wie sie zustande gekommen ist, ist skandalös. Meiner Mutter wurde beim zweiten Aufenthalt gesagt, dass eine Entlassung nur mehr mit 24-Stunden-Betreuung in Frage kommt. Sie konnte sich keinen entsprechenden Verein aussuchen, der ihren Vorstellungen entspricht, sondern musste unter größten Strapazen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln von Tulln nach Maria Gugging fahren. Dort wurde sie genötigt einen Vertrag von der Agentur XYZ, die ein besonderes Naheverhältnis zur EP 1 in Tulln hat(!), zu unterschreiben. Angeblich würde ein Pfleger schon gute Erfahrungen mit dieser Agentur gemacht haben und vermittelte deshalb. Als ich das erfuhr, war ich natürlich dem entsprechend sauer. Dann rief mich die Sozialarbeiterin von EP 1 an und meinte, dass ich gemeinsam mit den beiden Pflegerinnen, die für meine Mutter vorgesehen seien, zur BH gehen soll, damit sie dort ihr Gewerbe anmelden können. Ich beschwerte mich, dass das nicht die Agentur macht, schließlich bekäme sie sicher Provision. Mittlerweile weiß ich, dass eine Pflegerin 65 Euro am Tag kostet. 20 Euro davon gehen an die Agentur. Das Bringen und Abholen der Pflegerin kostet noch extra. Dem entsprechend kann doch erwartet werden, dass Herr XY sich um die administrativen Angelegenheiten seiner vermittelten Pflegerinnen kümmert. Im selben Gespräch sagte ich aber auch, dass ich es machen würde, wenn es unbedingt sein muss, weil es sonst niemand macht. Ein paar Tage später erfuhr meine Mutter von der behandelnden Oberärztin, dass die Sachwalterschaft beantragt werde, weil ich mich geweigert hätte, diverse Dinge für sie zu erledigen. Als ich das erfuhr, rief ich die Oberärztin an und sagte ihr, sie solle sich von der Sozialarbeiterin bestätigen lassen, dass ich mich dazu bereit erklärt habe. Darauf meinte sie, dass diese zwei Wochen im Urlaub sei und der Prozess nicht mehr zu stoppen wäre.

Mit diesem Schritt haben meine Mutter und ich nie gerechnet, wir wären im Traum nicht darauf gekommen, weil meine Mutter (bis heute) absolut strukturiert und orientiert ist, sowie alle ihre Angelegenheiten versteht und überblickt. Sie bräuchte lediglich jemanden, der ihr jene Wege erledigt, die außer Haus zu erledigen sind, weil sie nur eingeschränkt mobil ist. Das sind viele Menschen, die deshalb aber nicht zu 100 Prozent besachwaltet sind.

Bitte kontaktieren Sie mich, bestenfalls telefonisch, wie hier nun weiter vorgegangen wird und was die weiteren Möglichkeiten sind.

Mit freundlichen Grüßen

Dienstag, 22. Oktober 2013

Der letzte Akt, Teil 2

Meine Mutter hatte also ihren zweiten Selbstmordversuch hinter sich gebracht und lag wieder auf der Psychiatrie in Tulln. Beim ersten Besuch war sie immer noch auf der Intensivstation, wo sie bewusstlos zwischen piepsenden Geräten lag und künstlich beatmet wurde. Bei dem Anblick fragte ich mich immer, was ich mir wünschen soll. Einerseits wusste ich, sie würde darunter leiden, dass sie es wieder einmal nicht geschafft hatte und andererseits ist sie meine Mutter. Kein Kind will, dass die Mutter für immer weg ist – egal wie alt es ist.

Auf der psychiatrischen Station war sie dann immer schon ansprechbar. Jedes Mal fürchtete ich, sie würde mich nicht mehr erkennen, wenn sie mich danach das erste Mal wieder zu sehen bekam. Denn mindestens 100 Schlaftabletten einzunehmen hinterlässt Spuren. Während des ersten Aufenthaltes in Tulln war sie sehr besorgt, dass jemand in das unbewohnte Haus einbrechen könnte. Sie hatte Schmuck in einem Tresor im Keller. Diesmal sagte ich ihr, dass ich ihn holen und für sie aufbewahren würde. Ich eröffnete extra dafür ein Schließfach bei einer Bank, holte den Schmuck und gab ihn dort hinein. Das war jener Teil, den sie für jeden Tag im Haus aufbewahrte. Den Großteil hatte sie gemeinsam mit Sparbüchern in einem Schließfach bei ihrer Hausbank. Auf den Sparbüchern lagen in Summe zirka 100.000 Euro und der Schmuck dort war in etwa 30.000 Euro wert. In dem Tresor im Haus fand ich auch noch eine andere Schmuckschatulle, die ich auch an mich nahm. Später erfuhr ich, dass das ein Geschenk von Erich (siehe Eintrag von 8. Oktober) an mich war. Darin war sein Schmuck und jener seiner Frau. Er hatte zwar  eine Tochter, aber mit ihr war er schon lange sehr zerstritten – so sehr, dass sie Jahre vor seinem Tod schon keinen Kontakt mehr hatten. Sein Plan war, dass ich ihn durch den Tod meiner Mutter letztendlich in meinen Besitz wandert. 

Jene Person, zu der meine Mutter am meisten Kontakt nach dem Tod meines Vaters 2009 hatte, war Frau T. Sie ist selber über 80 Jahre alt, aber für ihr Alter noch sehr rüstig. Sie besuchte meine Mutter regelmäßig auf der Psychiatrie. So kam es auch, dass sie meine Mutter einlud, mit ihr in das Haus zu fahren um nach dem rechten zu sehen und um sich noch Kleidung von dort zu holen. Im Zuge dessen sahen sie auch nach dem Schmuck im Tresor. Doch der war nicht da, weil ich ihn ja wie vereinbart aufbewahrte. Leider konnte sich meine Mutter aber nicht mehr daran erinnern, weil sie scheinbar an jenem besagten Tag doch noch nicht so ganz da war. Für Frau T. war das ein gefundenes Fressen. Sie selbst hat nämlich einen Sohn, mit dem sie zwar in einem Haus lebt, sie aber so zerstritten sind, dass sie kein Wort miteinander reden und Frau T. sich sogar einen eigenen Eingang in ihren Bereich hat bauen lassen. Sie verglich mich immer mit ihrem missratenen Sohn und war insgeheim eifersüchtig, dass meine Mutter und ich ein vergleichsweise relativ gutes Verhältnis miteinander hatten. Zurück in der Psychiatrie machte sie einen regelrechten Aufstand und meinte, ich hätte meine Mutter bestohlen. Das warf natürlich kein gutes Licht auf mich. Ich erzähle das deshalb so ausführlich, damit das Folgende besser verständlich wird.

Für die nächste Entlassung gab es eine Auflage. Sie würde nur wieder nach Hause kommen, wenn dort eine 24-Stunden-Betreuung eingerichtet ist. So weit so gut. Nur gab es keine Möglichkeit zu bestimmen, wer diese bereitstellen sollte. Es hieß, ein Pfleger der Einrichtung hätte gute Kontakte zu einer Firma. Mir erschien das sehr dubios, dass man keinen Einfluss darauf hat. Immerhin lebt man dann mit dem Pflegepersonal rund um die Uhr zusammen. Dem entsprechend sollte das eine wohlüberlegte Entscheidung sein, wer mir dieses Personal bereitstellt. In diesem Fall war es aber genau das Gegenteil. Meine Mutter wurde in ihrem geschwächten Zustand dazu gezwungen, öffentlich mit der Stations-Sozialarbeiterin von Tulln nach Maria Gugging zu fahren um den Vertrag für die 24-Stunden-Pflege dort zu unterschreiben. Das war damals eine unglaubliche Strapaze für sie und am Ende dieses Tages hatte sie dann einen Schwächeanfall. Als sie mir das am nächsten Tag erzählte, traute ich meinen Ohren nicht. Doch es kommt noch dreister. Ein paar Tage nach diesem Vorfall rief mich die Sozialarbeiterin an und erklärte mir, dass ich mich nun darum kümmern müsste, dass die beiden slowakischen Pflegerinnen offiziell ihren Dienst antreten können. Dazu sollte ich mit ihnen auf die Bezirkshauptmannschaft gehen und sie dort melden. Eine der beiden hätte aber noch keine Gewerbeberechtigung für Österreich. Darum sollte ich mich auch kümmern. Ich war natürlich sehr aufgebracht. Nicht nur, dass ein Zwangsvertrag mit diesem Verein abgeschlossen wurde (ich vermute Schmiergeldzahlungen dahinter), wurde ich auch noch dazu angehalten, dessen Arbeit zu verrichten. Ich beschwerte mich, wusste aber gleichzeitig, dass auch ich keine Wahl hatte. Und somit sagte ich, dass ich es machen würde, wenn sonst niemand dafür in Frage käme. Einzige Bedingung meinerseits war, dass alles so vorbereitet sein sollte, sodass ich das an einem Tag erledigen kann. Die Sozialarbeiterin erzählte der behandelnden Oberärztin von dem Telefonat, worauf hin sie meine Mutter zu einem Gespräch zitierte, in dem sie ihr die Tatsache unterbreitete, in Zukunft besachwaltet zu werden. Nach dem Gespräch rief mich meine Mutter ganz aufgelöst an. Darauf hin rief ich die Oberärztin an und fragte sie was das soll. Sie meinte, ich wäre nicht zuverlässig und wir könnten nichts mehr dagegen unternehmen. Ich entgegnete ihr, die Sozialarbeiterin würde ihr bestätigen, dass ich mich ja ohnehin bereit erklärt hatte. Diese könnte sich nicht fragen, denn sie wäre zwei Wochen im Urlaub war die niederschmetternde Antwort. 

Weder meine Mutter noch ich waren auf so eine Wendung vorbereitet, denn bis heute ist sie zwar psychisch labil aber geistig ganz klar. Somit war ich auch nicht zeichnungsberechtigt für das Schließfach in der Hausbank, das Haus war nicht auf mich überschreiben und es gab keine Vorsorgevollmacht. Sie war mit sofortiger Wirkung enteignet und ich mit ihr. Ich bin ihr einziger Sohn und noch dazu ausgebildeter Sozialarbeiter. Trotzdem wurde ich bis heute nicht in Betracht gezogen, die Sachwalterschaft für meine Mutter zu übernehmen. Scheinbar steht wegen des oben ausgeführten Vorfalls nichts Gutes im zugehörigen Akt. Die Entscheidung liegt bei Gericht, das die Sachwalterschaft an eine Anwaltskanzlei vergab. Auch ein Rekurs, den ich für meine Mutter schrieb, half nichts. 

Das Gesetzt sieht vor, dass dem Sachwalter fünf bis zehn Prozent der laufenden Einkünfte und jährlich zwei Prozent des Gesamtvermögens zusteht. Darüber hinaus darf er auch Tätigkeiten, die eine juristische Expertise voraussetzen, extra verrechnen. Das macht bei meiner Mutter in etwas 10.000 Euro jährlich aus. Ein gutes Geschäft für einen Anwalt, weswegen es so gesehen in diesem Fall wohl klug war, es nicht dem Sohn zu überlassen. Besonders wenn man in Betracht zieht, wie wenig sich diese zuständigen Personen um meine Mutter kümmern.

Ein Beispiel: Fünf Tage vor zweiten Entlassung wurde die Sachwalterin bei meiner Mutter vorstellig. Im Zuge dessen wurden ihr die Hausschlüssel übergeben. Meine Mutter wies auf die Heizung hin, die für den Winterbetrieb eingeschaltet werden musste, denn mittlerweile war es November und kalt. Fünf Tage sollten reichen, sich darum zu kümmern. Am Tag der Entlassung wurden aber dann ihre schlimmsten Befürchtungen wahr. Sie kam in ein Haus, in dem es sieben Grad hatte und als zuständige Pflegefachkraft hatte sie eine 19jährige Berufsanfängerin zur Seite gestellt bekommen, die kein Wort Deutsch sprach und heillos überfordert war. Null Vorbereitung des Hauses und inkompetentes Personal von einem Verein, mit dem ein Zwangsvertrag eingegangen werden musste. Ich begehrte zwar auf, wurde aber mundtot gemacht. Für eine Person wie meine Mutter, die das eigene Leben ohnehin schon als hoffnungslos empfand, war das keine besonders heilsame Situation, ganz im Gegenteil. 

Ich kann jetzt schon verraten, dass es auch im nächsten Eintrag keine Aussicht auf Besserung gibt, sondern der Horror seinen Lauf nimmt. 

Donnerstag, 17. Oktober 2013

Der letzte Akt, Teil 1

Im Jahr 2008 erstickte mein Ziehvater (mein genetischer Vater verstarb schon im Jahr 2000) bei einem Restaurantbesuch fast an einem Stück Fleisch. Obwohl er im selben Jahr erst ein Lungenröntgen hatte machen lassen, das ihm eine altersgemäße Lunge und einen gesunden Thorax bescheinigte, enthüllte eine anschließende Untersuchung einen Tumor nahe der Speiseröhre, der auch die Lunge betraf. Die Bestrahlungen griffen und zu Weihnachten 2008 konnte er wieder schlucken. Er rauchte schon seitdem er 16 Jahre alt war. Es gibt kaum ein Foto, das ihn ohne Zigarette zeigt. Wenn man genau hinsieht, hält er sogar auf jenem mit meiner Mutter und Hexi, das ich unterhalb des letzten Eintrages online gestellt habe, eine in der Hand. Mit den guten Vorsätzen anlässlich des Pensionseintritts schafften es meine Eltern sogar, mit dem Rauchen aufzuhören. Doch dann fing meine Mutter nach zwei Jahren wieder an und er zog mit. Die Diagnose veranlasste ihn diesmal nicht, das Kunststück zu wiederholen und so schlug der Tumor nach den ersten Erfolgen im Jahr darauf zurück. Als hätte er es gewusst, genoss er solange er noch schlucken konnte das Leben in vollen Zügen – und das sah bei ihm folgendermaßen aus: Er ging jeden Tag fein gekleidet, rasiert, frisiert, parfümiert und voll mit Goldschmuck in das Stadtcafe Purkersdorf, wo er den Mann von Welt mimte, sich an den Gesprächen des Stammtisches beteiligte, Kaffee trank und dabei genussvoll rauchte. Das war seine Vorstellung vom guten Leben und er tat es solange ihm noch Zeit blieb. Am 3. November 2009, drei Tage vor seinem 72. Geburtstag, verstarb er zu Hause. Bis zuletzt meinte er, es ginge ihm nicht so schlecht, obwohl er am Schluss schon zu schwach für seine Lieblingsbeschäftigung dem Fernsehen war und nur noch Radio hörte. Er wollte keinesfalls im Spital sterben und so redete er seinen Zustand schön. Mein Mutter pflegte ihn aufopfernd und mit ihm ging ihr der Lebensinhalt abhanden. Ihr ganzes Leben, zumindest so lange ich sie kannte, beklagte sie sich darüber, immer für alle alles machen zu müssen, damit der Laden läuft und selber dabei zu kurz zu kommen.

Nachdem alles erledigt war, was nach einer Beerdigung so zu tun ist, fiel sie in ein Loch, denn nun war sie allein. Sie hatte Geld auf der Bank, viel Schmuck, ein Haus mit Garten, einen Mercedes in der Garage und Zeit, alles zu tun was ihr in den Sinn kommt. Darüber hinaus war sie erst 65 Jahre alt und ihrem Alter entsprechend halbwegs fit. Eine Situation, auf die viele Menschen hinarbeiten, viele kommen sogar niemals in diese privilegierte Lage. Sie hatte die besten Voraussetzungen, sich es noch einmal so richtig gut gehen zu lassen, ohne irgendjemandem Rechenschaft ablegen zu müssen. Doch sie war von ihrem Leben ausgebrannt und sah keinen Lebensinhalt für sich. Sie hatte keine Vorstellung von dem, wie man es sich gut gehen lassen kann, weil sei es davor auch nie getan hatte. Also fiel sie in eine Depression, von der sie mir nichts erzählte. Im September 2011 fragte sie mich, ob ich mit Frau und Kind bei ihr einziehen wolle. Ich winkte dankend ab. Später erzählte sie mir, dass es ab dann so richtig mit ihr bergab ging. Doch sie hielt das damals geheim, denn sie schmiedete schon einen tödlichen Plan.

An einem Wochenende im Juni 2012 war ich von Samstag auf Sonntag auf einer Hochzeit im Burgenland. Am Weg von dort nach Hause riefen mich die Gegenübernachbarn meiner Mutter an und meinten, die Rollos an ihrem Haus wären schon seit zwei Tage nicht hochgezogen worden und ich sollte nach dem Rechten sehen. Am Weg nach Purkersdorf verständigte ich auch Polizei und Rettung. Gemeinsam trafen wir ein. Ich schloss ihnen die Türen auf, blieb selbst aber draußen. Meine Mutter lag im Keller auf dem Bett neben der Sauna, wo sie früher ihre Arbeit verrichtete und war bewusstlos. In ihrer Nähe wurden leere Schlaftabletten-Packungen gefunden, was auf einen Selbstmordversuch rückschließen ließ. Sie kam nach Tulln, zuerst auf die interne Abteilung und dann auf die Psychiatrie. Sie überstand den Vorfall ganz gut und wurde dann wieder nach Hause entlassen. Die Volkshilfe wurde im Rahmen der mobilen Heimkrankenpflege damit beauftragt, jeden Tag bei ihr vorbei zu schauen. Ich holte sie ab und gemeinsam gingen wir am Weg noch einkaufen. Alles deutete darauf hin, dass sie es mit Unterstützung schaffen könnte, auch sie schien motiviert. Am darauffolgenden Montag kam die Fallmanagerin zu ihr um zu erheben, was die Heimhilfen bei den Besuchen zu tun haben. Im Zuge dessen wurde festgestellt, dass meine Mutter kaum noch Bargeld bei sich hatte. Anstatt ihr das Angebot zu machen, sie zur Bank zu führen meinte die Dame von der Volkshilfe, sie würde mit der Bankomatkarte Geld abheben fahren. Meine Mutter äußerte Bedenken, die mit folgender Aussage zerstreut wurden: „Das ist der Anfang unserer Zusammenarbeit, die auf Vertrauen basiert. Das ist die erste Gelegenheit dieses aufzubauen.“ Meine Mutter bat um 300 Euro, die ihr auch gebracht wurden. Einige Tage später fiel ihr das Besuchsprotokoll wieder in die Hänge. Beim genauen Durchlesen bemerkte sie, dass sie die Übernahme von 1.300 Euro unterschrieben hatte. Nach telefonischer Rücksprache bei der die Fallmanagerin behauptete, sie hätte 1.300 Euro übergeben, stornierte meine Mutter den Vertrag. Mir erzählte sie von dem Vorfall und ich empfahl ihr, Lehren für die Zukunft daraus zu ziehen, machte aber auch klar, dass sie nichts dagegen machen konnte, denn sie hatte das Protokoll ja unterschrieben. Von der Vertragskündigung erzählte sie mir nichts. Am Freitag telefonierten wir und ich meldete mich über das Wochenende ab, denn ich war wieder auf einer Hochzeit eingeladen. 

Montagabend rief ich sie dann an, doch sie ging nicht ans Telefon. In mir regte sich der Verdacht, dass sie es wieder versucht haben könnte und ich fuhr nach Purkersdorf. Am Weg verständigte ich abermals Polizei und Rettung. Diesmal war sie nicht im Haus auffindbar, weswegen wir im Garten anfingen zu suchen. Die Suchaktion wurde schon fast als beendet erklärt, weil sie scheinbar im Garten auch nicht war, als ich in einem Eck unter einem Busch etwas entdeckte. Ich bat die Polizisten, dort genauer zu suchen. Und tatsächlich, dort lag sie. Weil sie beim ersten Mal die Tabletten im Schlaf erbrach, hatte sie sich ein Wollknäuel in dem Mund gesteckt und diesen zugeklebt. Später stellt sich heraus, dass diesmal nicht 19 Stunden nach der Einnahme vergangen waren, sondern nur fünf. Sie war zwar benommen aber noch nicht bewusstlos. Sie machte mir nur einen Vorwurf, warum ich da war, denn damit hätte sie nicht gerechnet. Wieder kam sie nach Tulln. Wer nun glaubt, viel schlimmer kann es nicht mehr kommen irrt, denn das war erst das Vorspiel zu dem, was noch folgen sollte. Doch das wird Gegenstand des nächsten Eintrages.