Auf
der psychiatrischen Station war sie dann immer schon ansprechbar. Jedes Mal fürchtete ich, sie würde mich nicht mehr erkennen, wenn sie mich danach das erste Mal wieder zu sehen bekam. Denn mindestens 100 Schlaftabletten einzunehmen hinterlässt Spuren. Während
des ersten Aufenthaltes in Tulln war sie sehr besorgt, dass jemand in das unbewohnte
Haus einbrechen könnte. Sie hatte Schmuck in einem Tresor im Keller. Diesmal
sagte ich ihr, dass ich ihn holen und für sie
aufbewahren würde. Ich eröffnete extra dafür ein Schließfach bei einer Bank,
holte den Schmuck und gab ihn dort hinein. Das war jener Teil,
den sie für jeden Tag im Haus aufbewahrte. Den Großteil hatte sie gemeinsam mit
Sparbüchern in einem Schließfach bei ihrer Hausbank. Auf den Sparbüchern lagen
in Summe zirka 100.000 Euro und der Schmuck dort war in etwa 30.000 Euro wert.
In dem Tresor im Haus fand ich auch noch eine andere Schmuckschatulle, die ich
auch an mich nahm. Später erfuhr ich, dass das ein Geschenk von Erich (siehe
Eintrag von 8. Oktober) an mich war. Darin war sein Schmuck und jener seiner
Frau. Er hatte zwar eine Tochter, aber
mit ihr war er schon lange sehr zerstritten – so sehr, dass sie Jahre vor
seinem Tod schon keinen Kontakt mehr hatten. Sein Plan war, dass ich ihn durch den Tod meiner Mutter letztendlich in meinen Besitz wandert.
Jene Person, zu der meine Mutter
am meisten Kontakt nach dem Tod meines Vaters 2009 hatte, war Frau T. Sie
ist selber über 80 Jahre alt, aber für ihr Alter noch sehr rüstig. Sie besuchte
meine Mutter regelmäßig auf der Psychiatrie. So kam es auch, dass sie meine
Mutter einlud, mit ihr in das Haus zu fahren um nach dem rechten zu sehen und
um sich noch Kleidung von dort zu holen. Im Zuge dessen sahen sie auch nach dem
Schmuck im Tresor. Doch der war nicht da, weil ich ihn ja wie vereinbart
aufbewahrte. Leider konnte sich meine Mutter aber nicht mehr daran erinnern,
weil sie scheinbar an jenem besagten Tag doch noch nicht so ganz da war. Für Frau T. war das ein gefundenes Fressen. Sie selbst hat nämlich einen Sohn, mit
dem sie zwar in einem Haus lebt, sie aber so zerstritten sind, dass sie kein Wort
miteinander reden und Frau T. sich sogar einen eigenen Eingang in ihren Bereich
hat bauen lassen. Sie verglich mich immer mit ihrem missratenen Sohn und war
insgeheim eifersüchtig, dass meine Mutter und ich ein vergleichsweise relativ
gutes Verhältnis miteinander hatten. Zurück in der Psychiatrie machte sie einen
regelrechten Aufstand und meinte, ich hätte meine Mutter bestohlen. Das warf
natürlich kein gutes Licht auf mich. Ich erzähle das deshalb so ausführlich,
damit das Folgende besser verständlich wird.
Für die nächste Entlassung gab es eine Auflage. Sie würde
nur wieder nach Hause kommen, wenn dort eine 24-Stunden-Betreuung eingerichtet
ist. So weit so gut. Nur gab es keine Möglichkeit zu bestimmen, wer diese
bereitstellen sollte. Es hieß, ein Pfleger der Einrichtung hätte gute Kontakte
zu einer Firma. Mir erschien das sehr dubios, dass man keinen Einfluss darauf
hat. Immerhin lebt man dann mit dem Pflegepersonal rund um die Uhr zusammen.
Dem entsprechend sollte das eine wohlüberlegte Entscheidung sein, wer mir
dieses Personal bereitstellt. In diesem Fall war es aber genau das Gegenteil.
Meine Mutter wurde in ihrem geschwächten Zustand dazu gezwungen, öffentlich mit
der Stations-Sozialarbeiterin von Tulln nach Maria Gugging zu fahren um den
Vertrag für die 24-Stunden-Pflege dort zu unterschreiben. Das war damals eine unglaubliche Strapaze für
sie und am Ende dieses Tages hatte sie dann einen Schwächeanfall. Als sie mir
das am nächsten Tag erzählte, traute ich meinen Ohren nicht. Doch es kommt noch
dreister. Ein paar Tage nach diesem Vorfall rief mich die Sozialarbeiterin an
und erklärte mir, dass ich mich nun darum kümmern müsste, dass die beiden
slowakischen Pflegerinnen offiziell ihren Dienst antreten können. Dazu sollte ich
mit ihnen auf die Bezirkshauptmannschaft gehen und sie dort melden. Eine der
beiden hätte aber noch keine Gewerbeberechtigung für Österreich. Darum sollte
ich mich auch kümmern. Ich war natürlich sehr aufgebracht. Nicht nur, dass ein Zwangsvertrag mit diesem Verein abgeschlossen wurde (ich vermute
Schmiergeldzahlungen dahinter), wurde ich auch noch dazu angehalten, dessen Arbeit zu
verrichten. Ich beschwerte mich, wusste aber gleichzeitig, dass auch ich keine
Wahl hatte. Und somit sagte ich, dass ich es machen würde, wenn sonst
niemand dafür in Frage käme. Einzige Bedingung meinerseits war, dass alles so
vorbereitet sein sollte, sodass ich das an einem Tag erledigen kann. Die
Sozialarbeiterin erzählte der behandelnden Oberärztin von dem Telefonat, worauf
hin sie meine Mutter zu einem Gespräch zitierte, in dem sie ihr die Tatsache
unterbreitete, in Zukunft besachwaltet zu werden. Nach
dem Gespräch rief mich meine Mutter ganz aufgelöst an. Darauf hin rief ich die
Oberärztin an und fragte sie was das soll. Sie meinte, ich wäre nicht
zuverlässig und wir könnten nichts mehr dagegen unternehmen. Ich entgegnete
ihr, die Sozialarbeiterin würde ihr bestätigen, dass ich
mich ja ohnehin bereit erklärt hatte. Diese könnte sich nicht fragen, denn sie wäre zwei
Wochen im Urlaub war die niederschmetternde Antwort.
Weder meine Mutter noch
ich waren auf so eine Wendung vorbereitet, denn bis heute ist sie zwar
psychisch labil aber geistig ganz klar. Somit war ich auch nicht
zeichnungsberechtigt für das Schließfach in der Hausbank, das Haus war nicht
auf mich überschreiben und es gab keine Vorsorgevollmacht. Sie
war mit sofortiger Wirkung enteignet und ich mit ihr. Ich bin ihr einziger Sohn
und noch dazu ausgebildeter Sozialarbeiter. Trotzdem wurde ich bis heute nicht
in Betracht gezogen, die Sachwalterschaft für meine Mutter zu übernehmen. Scheinbar steht wegen des oben ausgeführten Vorfalls nichts Gutes im zugehörigen Akt. Die
Entscheidung liegt bei Gericht, das die Sachwalterschaft an eine Anwaltskanzlei
vergab. Auch ein Rekurs, den ich für meine Mutter schrieb, half nichts.
Das
Gesetzt sieht vor, dass dem Sachwalter fünf bis zehn Prozent der laufenden
Einkünfte und jährlich zwei Prozent des Gesamtvermögens zusteht. Darüber hinaus
darf er auch Tätigkeiten, die eine juristische Expertise voraussetzen, extra
verrechnen. Das macht bei meiner Mutter in etwas 10.000 Euro jährlich aus. Ein
gutes Geschäft für einen Anwalt, weswegen es so gesehen in diesem Fall wohl klug war, es nicht dem Sohn zu überlassen. Besonders wenn man in Betracht zieht, wie wenig sich diese zuständigen Personen
um meine Mutter kümmern.
Ein Beispiel: Fünf Tage vor zweiten Entlassung wurde die Sachwalterin bei meiner Mutter vorstellig. Im Zuge dessen wurden ihr die Hausschlüssel übergeben. Meine Mutter wies auf die Heizung hin, die für den Winterbetrieb eingeschaltet werden musste, denn mittlerweile war es November und kalt. Fünf Tage sollten reichen, sich darum zu kümmern. Am Tag der Entlassung wurden aber dann ihre schlimmsten Befürchtungen wahr. Sie kam in ein Haus, in dem es sieben Grad hatte und als zuständige Pflegefachkraft hatte sie eine 19jährige Berufsanfängerin zur Seite gestellt bekommen, die kein Wort Deutsch sprach und heillos überfordert war. Null Vorbereitung des Hauses und inkompetentes Personal von einem Verein, mit dem ein Zwangsvertrag eingegangen werden musste. Ich begehrte zwar auf, wurde aber mundtot gemacht. Für eine Person wie meine Mutter, die das eigene Leben ohnehin schon als hoffnungslos empfand, war das keine besonders heilsame Situation, ganz im Gegenteil.
Ein Beispiel: Fünf Tage vor zweiten Entlassung wurde die Sachwalterin bei meiner Mutter vorstellig. Im Zuge dessen wurden ihr die Hausschlüssel übergeben. Meine Mutter wies auf die Heizung hin, die für den Winterbetrieb eingeschaltet werden musste, denn mittlerweile war es November und kalt. Fünf Tage sollten reichen, sich darum zu kümmern. Am Tag der Entlassung wurden aber dann ihre schlimmsten Befürchtungen wahr. Sie kam in ein Haus, in dem es sieben Grad hatte und als zuständige Pflegefachkraft hatte sie eine 19jährige Berufsanfängerin zur Seite gestellt bekommen, die kein Wort Deutsch sprach und heillos überfordert war. Null Vorbereitung des Hauses und inkompetentes Personal von einem Verein, mit dem ein Zwangsvertrag eingegangen werden musste. Ich begehrte zwar auf, wurde aber mundtot gemacht. Für eine Person wie meine Mutter, die das eigene Leben ohnehin schon als hoffnungslos empfand, war das keine besonders heilsame Situation, ganz im Gegenteil.
Ich kann jetzt
schon verraten, dass es auch im nächsten Eintrag keine Aussicht auf Besserung
gibt, sondern der Horror seinen Lauf nimmt.
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