Nachdem alles erledigt war, was
nach einer Beerdigung so zu tun ist, fiel sie in ein Loch, denn nun war sie
allein. Sie hatte Geld auf der Bank, viel Schmuck, ein Haus mit Garten, einen
Mercedes in der Garage und Zeit, alles zu tun was ihr in den Sinn kommt.
Darüber hinaus war sie erst 65 Jahre alt und ihrem Alter entsprechend halbwegs
fit. Eine Situation, auf die viele Menschen hinarbeiten, viele kommen sogar niemals
in diese privilegierte Lage. Sie hatte die besten Voraussetzungen, sich es noch
einmal so richtig gut gehen zu lassen, ohne irgendjemandem Rechenschaft ablegen
zu müssen. Doch sie war von ihrem Leben ausgebrannt und sah keinen Lebensinhalt
für sich. Sie hatte keine Vorstellung von dem, wie man es sich gut gehen lassen
kann, weil sei es davor auch nie getan hatte. Also fiel sie in eine Depression,
von der sie mir nichts erzählte. Im September 2011 fragte sie mich, ob ich mit
Frau und Kind bei ihr einziehen wolle. Ich winkte dankend ab. Später erzählte
sie mir, dass es ab dann so richtig mit ihr bergab ging. Doch sie hielt das
damals geheim, denn sie schmiedete schon einen tödlichen Plan.
An einem Wochenende im Juni 2012 war ich von Samstag auf Sonntag
auf einer Hochzeit im Burgenland. Am Weg von dort nach Hause riefen mich die
Gegenübernachbarn meiner Mutter an und meinten, die Rollos an ihrem Haus wären
schon seit zwei Tage nicht hochgezogen worden und ich sollte nach dem Rechten
sehen. Am Weg nach Purkersdorf verständigte
ich auch Polizei und Rettung. Gemeinsam trafen wir ein. Ich schloss ihnen die
Türen auf, blieb selbst aber draußen. Meine Mutter lag im Keller auf dem Bett
neben der Sauna, wo sie früher ihre Arbeit verrichtete und war bewusstlos. In
ihrer Nähe wurden leere Schlaftabletten-Packungen gefunden, was auf einen Selbstmordversuch rückschließen ließ. Sie kam nach Tulln, zuerst auf die interne
Abteilung und dann auf die Psychiatrie. Sie überstand den Vorfall ganz gut und wurde
dann wieder nach Hause entlassen. Die Volkshilfe wurde im Rahmen der mobilen
Heimkrankenpflege damit beauftragt, jeden Tag bei ihr vorbei zu schauen. Ich holte
sie ab und gemeinsam gingen wir am Weg noch einkaufen. Alles deutete darauf
hin, dass sie es mit Unterstützung schaffen könnte, auch sie schien motiviert.
Am darauffolgenden Montag kam die Fallmanagerin zu ihr um zu erheben, was die
Heimhilfen bei den Besuchen zu tun haben. Im Zuge dessen wurde festgestellt,
dass meine Mutter kaum noch Bargeld bei sich hatte. Anstatt ihr das Angebot zu
machen, sie zur Bank zu führen meinte die Dame von der Volkshilfe, sie würde
mit der Bankomatkarte Geld abheben fahren. Meine Mutter äußerte Bedenken, die
mit folgender Aussage zerstreut wurden: „Das ist der Anfang unserer
Zusammenarbeit, die auf Vertrauen basiert. Das ist die erste Gelegenheit dieses aufzubauen.“ Meine Mutter bat um 300 Euro, die ihr auch gebracht wurden.
Einige Tage später fiel ihr das Besuchsprotokoll wieder in die Hänge. Beim genauen Durchlesen bemerkte sie, dass sie die Übernahme von 1.300 Euro
unterschrieben hatte. Nach telefonischer Rücksprache bei der die Fallmanagerin
behauptete, sie hätte 1.300 Euro übergeben, stornierte meine Mutter den
Vertrag. Mir erzählte sie von dem
Vorfall und ich empfahl ihr, Lehren für die Zukunft daraus zu ziehen, machte
aber auch klar, dass sie nichts dagegen machen konnte, denn sie hatte das
Protokoll ja unterschrieben. Von der Vertragskündigung erzählte sie mir nichts.
Am Freitag telefonierten wir und ich meldete mich über das Wochenende ab, denn
ich war wieder auf einer Hochzeit eingeladen.
Montagabend rief ich sie dann an, doch sie
ging nicht ans Telefon. In mir regte sich der Verdacht, dass sie es wieder
versucht haben könnte und ich fuhr nach Purkersdorf. Am Weg verständigte ich abermals
Polizei und Rettung. Diesmal war sie nicht im Haus auffindbar, weswegen wir im
Garten anfingen zu suchen. Die Suchaktion wurde schon fast als beendet erklärt,
weil sie scheinbar im Garten auch nicht war, als ich in einem Eck unter einem
Busch etwas entdeckte. Ich bat die Polizisten, dort genauer zu suchen. Und
tatsächlich, dort lag sie. Weil sie beim ersten Mal die Tabletten im Schlaf
erbrach, hatte sie sich ein Wollknäuel in dem Mund gesteckt und diesen
zugeklebt. Später stellt sich heraus, dass diesmal nicht 19 Stunden nach der
Einnahme vergangen waren, sondern nur fünf. Sie war zwar benommen aber noch
nicht bewusstlos. Sie machte mir nur einen Vorwurf, warum ich da war, denn
damit hätte sie nicht gerechnet. Wieder kam sie nach Tulln. Wer nun glaubt,
viel schlimmer kann es nicht mehr kommen irrt, denn das war erst das Vorspiel
zu dem, was noch folgen sollte. Doch das wird Gegenstand des nächsten
Eintrages.
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