Freitag, 6. September 2013

Mein Erzeuger

Nachdem ich erfahren hatte, dass mein bisheriger Vater es sicher nicht sei drängte sich natürlich die Frage auf, wer es denn sonst sein sollte. Als Antwort bekam ich den Namen Josef (Pepi) Matauschek. Für mich war er bis zu diesem Zeitpunkt ein Bekannter meiner Eltern. Ich kannte ihn flüchtig vom Sehen bei uns zu Hause. Er hatte aber keine Rolle in meinem Leben gespielt. Ich erinnerte mich daran, dass er sehr groß war, mir meine erste Armbanduhr geschenkt hatte und auch eine Kinderziehharmonika mit der ich aber nichts anzufangen wusste, weil sie mir niemand erklärte.

Für meine Mutter war er angeblich die Liebe ihres Lebens. Auch ihn lernte sie als Kunden auf dem Strich kennen. Das war im Oktober 1972. Sie war 28 und er 47 Jahre alt. Aus einer geschäftlichen wurde eine Liebebeziehung. Er war scheinbar wohlhabend, denn die ganze Zeit, die er mit ihr verbrachte zahlte er. Er kaufte sie quasi von den anderen Kunden frei indem er ihr das Geld gab, das sie mit anderen Kunden in derselben Zeit verdient hätte. Nur so war es gegenüber ihrem Partner (meinem „Vater“) auch gerechtfertigt. Denn nur als Kunde war er geduldet. Sie gingen gemeinsam (mitunter sogar zu dritt) ins Theater, in die Oper oder zum Heurigen.

Meine Mutter und er beschlossen gemeinsam ein Kind zu zeugen. Er konnte mit seiner Frau keine bekommen. Deshalb ging meine Mutter mit ihm gemeinsam sein Sperma testen mit dem Ergebnis, dass er fruchtbar war und es somit nicht an ihm lag. Mit meinem „Vater“ wollte sie kein Kind, denn sein erster (und einziger) Sohn Roman war problematisch, angeblich war er in der Sonderschule oder sonst was. Genau habe ich mich nie danach erkundigt. Roman und seine Mutter waren ein Tabuthema bei uns zu Hause.

Der Plan war also, dass jeder beim damaligen Partner bleibt und meine Mutter mit der Prostitution aufhört. So wurde auch die Idee geboren stattdessen ein Taxiunternehmen zu gründen. Pepi Matauschek übernahm bei der Konzession und dem ersten Taxi sogar einen Großteil der Kosten. Wie sie das meinem „Vater“ unverdächtig erklärten ist mir ein Rätsel. Schließlich wurde ich ihm auch noch als Kukukskind untergejubelt. Am Tag meiner Geburt hatte sie einen kleinen Autounfall. Die offizielle Version ist, dass ich wegen der daraus resultierten Aufregung seitens meiner Mutter als Frühchen zur Welt kam. Vielleicht drückte mein „Vater“ auch alle Augen zu, weil Pepi Mautauschek (ab nun „Erzeuger“ genannt) einfach so viel Geld in ihre und somit auch seine Richtung fließen ließ. Es war also alles gut eingefädelt und ich trug die Lebenslüge bis zu seinem Tod mit, wenngleich er unbewusst vielleicht einen Verdacht hegte. Das würde auch erklären, warum er sich bei meiner Betreuung und Versorgung raus hielt und alles meiner Mutter überließ, wenngleich ich ohnehin die meiste Zeit nicht da war. Er sprang nur ein, wenn es gar nicht mehr anders ging, beispielsweise wenn sie aus beruflichen Gründen unabkömmlich war. Trotzdem hatten wir aber auch unsere guten Momente. Zum Beispiel gemeinsame Saunaaufgüsse, Formel 1 im Fernsehen anschauen oder Drachensteigen gehen. Das möge an dieser Stelle fairerweise auch festgehalten sein.

Zurück zu den Bemühungen meines Erzeugers, meine Mutter von der Prostitution weg zu bringen. Er fuhr mit ihr tagelang im Taxi mit und erklärte den Fahrgästen, es wäre ihr erster Tag und sie würde sich sonst zu unsicher fühlen. Ihr sollte damit das Taxifahren mit der Zeit erträglicher werden. Dafür verdoppelte er ihr anfangs sogar den erfahrenen Umsatz. Ohne Erfolg. Er setzte sich mit ihr zu Hause hin und drängte sie dazu, bei jedem Anruf eines Kunden zu sagen, dass sie nicht mehr verfügbar wäre. Ohne Erfolg. Er setzte einen Privatdetektiv auf das Haus an. Dieser dokumentierte, wann ein Kunde kam und ging. Dann konfrontierte er sie damit und warf ihr verständlicherweise vor, von ihr hintergangen zu werden. Ohne Erfolg. Ihr war das Geldverdienen einfach wichtiger als die Loyalität zu ihm. Und im Hintergrund flüsterte ihr mein „Vater“ im Eigeninteresse ein: „Doppeltes Geld in der Hälfte der Zeit.“ Es war die finanziell ertragreichste Zeit ihres Lebens. Sie verdiente als Callgirl, beim Taxifahren und mit ihrem besten Stammkunden, Pepi Matauschek. Es dauerte nicht lange und er warf entnervt das Handtuch. Meine Mutter agierte schon da nach dem Motto: Geld vor Beziehung und Gefühlen von Menschen. Wie bereits erwähnt eine Tatsache, die mein Leben in weiterer Folge maßgeblich mitprägen sollte.

Mein Erzeuger und sie trafen sich dann irgendwann nur mehr einmal im Monat, jedoch so lange, bis ich meine erste Berufsausbildung 1996 mit 21 Jahren beendet hatte. Bei diesen Treffen übergab er ihr Alimente in der Höhe von 4.000 Schilling, die er freiwillig bezahlte. Bei der Gelegenheit erzählte sie ihm von meiner Entwicklung und zeigte ihm fallweise auch die aktuellsten Fotos. Leider legte meine Mutter das Geld nicht auf ein Sparbuch, sondern ließ es in das allgemeine Budget einfließen. Damit wurden beispielsweise Internat und Ferienlager beglichen. Jahre später, als ich meinen „Vater“ mit meiner miesen Kindheit konfrontierte, rechnete er mir vor, wie viel Geld ich im Laufe der Jahre gekostet habe und wollte mir damit beweisen, dass ich ja „alles“ hatte. Das wäre eine gute Gelegenheit gewesen, ihm von den Alimenten und dem Hintergrund dieser Zahlungen zu erzählen. Doch ich schluckte das aus Loyalität meiner Mutter gegenüber hinunter.

1995 auf dem Cover des "Bockkeller"
Die Zeitung des Wiener Volksliedwerks
3. Jänner 2012: Feststellung der Vaterschaft durch das BG Josefstadt 

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